schloss die Augen und stellte sie mir bildlich vor. Die weniger schönen sortierte ich aus und die schönen ließ ich an mir vorbeidefilieren. Sie hatten bildhübsche Gesichter, entzückende Figuren und wenn ich sie ansprach, schlugen sie die Augen nieder. Ich schwelgte in solchen Phantasien, als ich merkte, dass mir irgendwie seltsam zumute wurde. Ich schwebte in sphärische Höhen und sah die Welt vom Himmel aus. Ich fühlte mich leicht, ja schwerelos und glaubte schon, gestorben zu sein und mich auf dem Weg in die Ewigkeit zu befinden. Leicht betäubt fand ich aber wieder zurück auf die Bank und öffnete die Augen.

Ohne dass ich etwas bemerkt hätte, hatte sich jemand neben mich auf die Bank gesetzt. Ich wandte mich dem Neuankömmling zu und wusste gleich, dass es sich hier um eine ungewöhnliche, um nicht zu sagen, unirdische Erscheinung handelte, nämlich um einen älteren Herrn mit langem, weißem und wallendem Bart, gekleidet in eine Art weißen Umhang, der in keiner Weise der hierzulande üblichen Herrenmode zuzuordnen war. In mir stieg eine Vermutung auf, die absurd erscheinen mochte, und ich sagte zu dem Herrn neben mir:

„Entschuldigen Sie - sind Sie vielleicht der Liebe Gott?"

Der ältere Herr wandte sich mir zu, schenkte mir einen freundlichen Blick und ein mildes Lächeln und entgegnete:

„Ich bin Gott der Herr, in der Tat. Ob ich allerdings lieb bin, sei dahingestellt."

„Nun", sagte ich, „Sie werden verstehen, dass ich etwas überrascht bin. Ich weiß nicht so recht, warum Sie hierher zu mir gekommen sind. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich da einen gewissen Wunschtraum habe…"

„Ich weiß", unterbrach er mich, „die schönen Grönländerinnen geistern dir im Kopf herum. Du kannst übrigens ruhig „Du" zu mir sagen, ich bin nicht der Papst und es redet sich leichter."

„Sie, äh, ich meine, du weißt also schon alles - hätte ich mir ja eigentlich denken können," entgegnete ich, und etwas schüchtern fügte ich hinzu: „Darf ich etwa tatsächlich auf die Erfüllung meines Wunsches hoffen?"

„Nun", erwiderte der Liebe Gott, „Ich muss vorab bemerken, dass ich mich üblicherweise nicht wegen solcher Albernheiten hier herab begebe. Andererseits fasziniert mich dieses Experiment, denn ich habe noch nie zuvor jemand von einer Zeit in eine andere versetzt und ich bin selbst neugierig, wie du und diese Grönländerfrau damit zurechtkommen. Ich habe daher deinem Wunsch entsprochen und diese Frau wartet bereits auf dich in deinem Wohnzimmer. Sie heißt Brigitta Asgeirsdottir."

Ich war natürlich über diese Entwicklung hocherfreut, gleichzeitig aber versuchte ich als mit natürlichem und gesundem Misstrauen ausgestatteter Charakter möglichen Enttäuschungen vorzubeugen und sagte zum Lieben Gott:

„Ich bin Dir natürlich sehr dankbar, aber…"

Der Liebe Gott unterbrach mich und meinte: „Ich weiß, ich weiß. Ich bin jedoch der Ansicht, sie sei mir recht gut gelungen und du kannst zufrieden sein. Ich kann schließlich nicht nur Schönheiten machen, sonst gäbe es ja keine Unterschiede und man könnte die schönen und die weniger schönen gar nicht unterscheiden. Ausgesprochen Hässliche habe ich schließlich nie gemacht."

Ich war da zwar anderer Ansicht, wollte aber auf dieses Thema nicht weiter eingehen. Immerhin hatte ich nicht wenige gesehen, die mir einen gehörigen Schrecken eingejagt hätten, wäre ich eines Morgens neben ihnen aufgewacht. Aber es gab da noch eine Reihe von Dingen zu klären und ich fragte den Lieben Gott:

„Darf ich denn fragen, wie alt sie ist?"

„Wie alt? Moment mal, was haben wir jetzt für ein Jahr nach der Geburt meines Sohnes? Ach ja, zweitausendundvier. Demnach ist sie jetzt sechshundertzweiunddreißig Jahre alt."

„Wenn das so ist, dann finde ich wohl zu Hause nur noch ein Häufchen alter Knochen vor?"

„Nun ja", schmunzelte der Liebe Gott, „man muss natürlich von dem Jahr ausgehen, als ich sie dort weggeholt habe und das war vierzehnhundertneunzehn. Sie zählt also achtundzwanzig Jahre."

Ich war damit einigermaßen zufrieden, wenn mir auch eine Achtzehnjährige lieber gewesen wäre. Der Liebe Gott aber hatte natürlich meine Gedanken gelesen und fuhr fort:

„Ich habe schließlich eine nehmen müssen, die dort schon überfällig ist. Die Grönländerinnen haben ja meist schon mit vierzehn Jahren geheiratet. Du bist immerhin

Mal sehen, weiter!